
Arbeiten über das gesetzliche Pensionsalter hinaus, ist das wirklich attraktiv?
Diese Frage würden die meisten spontan mit Nein beantworten. Herr und Frau Österreicher gehen lieber zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Pension und auch staatlich geförderte Altersteilzeitmodelle erfreuen sich großer Beliebtheit. Warum länger als nötig arbeiten, besser noch die guten und gesunden Jahre ohne finanzielle Sorgen genießen, sich das erfüllen, was während des Berufslebens nicht möglich war.
Doch wo eine Regel, dort auch eine Ausnahme. Eine solche stellt
Univ.-Lektor Dr. Walter Holiczki (am Bild mit seinem Enkel Benny) dar, der in seinem achtzigsten! Lebensjahr immer noch mit Freude in einem anspruchsvollen Berufsfeld aktiv ist.
Der 1943 geborene studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschafter ist lange Jahre Journalist und Geschäftsführer zweier Werbeagenturen. Am Institut für Publizistik der Universität Wien erfüllt er von 1980 bis 1997 einen Lehrauftrag als Lektor. Ehrenamtlich übernimmt er zusätzlich für mehrere Jahre die Präsidentschaft des Austrian Chapter der International Advertising Association. Mit 65 Jahren macht er sich mit der Agentur „Partner für Kommunikation“ selbstständig und wird dies bis Ende des Jahres 2023 sein. (Oder auch noch etwas länger!) Dann wird er sein 80. Lebensjahr bereits um einige Monate überschritten, für die „Vereinigung Österreichischer Steuerberater und Wirtschaftsprüfer“ als Chefredakteur 134 Ausgaben des „WT Fachjournal“ produziert und an die 10.000 Seiten fachspezifischen Inhalts verantwortet haben.
Wir, die Betriebliche Altersvorsorge Consulting GmbH, in der Folge mit „BAV“ abgekürzt, haben mit Dr. Walter Holiczki nachstehendes Gespräch geführt und versucht, heraufzufinden, was ihn so umtreibt.
BAV: Wie denken Sie über Arbeit? Ist sie Privileg, ist sie, wie in vielen Fällen, einfach lästige, lebensnotwendige Pflicht?
Walter Holiczki: Ich denke, dass Arbeit grundsätzlich einmal dazu da ist, sich sein Leben leisten zu können. Wenn man allerdings beginnt Arbeit als lästig zu empfinden, dann läuft wohl etwas schief. Sollen dann die anderen dafür arbeiten, dass man mit weniger oder weniger qualitätvoller Arbeit den gleichen Lebensstandard und die gleichen Sozialleistungen erhält? Da ginge der Sozialstaat wohl bald bankrott. Und, Arbeit darf daher natürlich niemals Sonderrecht für irgendjemanden sein.
BAV: Wann ist sie erfüllend und sinnstiftend?
WH: Man kann ja aus der ursprünglich lebensnotwendigen Pflicht auch weit mehr für sich herausholen- wenn man Arbeit mit Freude daran verbindet. Je größer die Freude an der Qualität der Arbeit, desto größer auch der Erfolg durch persönliche Anerkennung seitens Arbeitgeber und Kunde. Das bedeutet natürlich auch mehr Geld, um sich dann mehr leisten zu können und besser zu leben.
Ich verdanke meine Karriere im Arbeitsleben bis heute dabei sicher drei Faktoren: Das sind universelle Bildung/Ausbildung, ständiges Weiterlernen und Spaß an der Arbeit.
Dazu gehört aber auch das Glück, auf Arbeitgeber und Partner zu treffen, die diese Einstellung ebenso schätzen und leben. Ich selbst durfte das in Person von Ernst Haupt-Stummer, dem ehemaligen Eigentümer der gleichnamigen Werbeagentur erfahren. Er war eine der mittlerweile selten gewordenen Personen mit Handschlagqualität. In seinem Unternehmen bin ich sehr schnell zum Agenturleiter und Geschäftsführer aufgestiegen.
BAV: Was ist der Grund, dass Sie so lange gearbeitet haben, bzw. dies immer noch tun?
WH: Mir war mit 65 klar, dass ich einfach Lust hatte, weiterzuarbeiten- vor allem wenn die Arbeit als Kommunikationsberater Freude macht, ja fast ein Hobby ist- und wenn man Kunden hat, die deine Leistungen anerkennen und dich auch persönlich schätzen. Das motiviert ungemein. Dazu kommt natürlich auch, dass man doch ordentlich zur Pension dazuverdienen kann, wobei die politischen Rahmenbedingungen in Österreich – als Pensionist muss ich weiter Beiträge zur Pensionsversicherung zahlen – eine Schande sind. Und der Staat hält sich bei Pensionserhöhungen nobel zurück. So wird man selbstständige Pensionisten nicht mehr zur Weiterarbeit motivieren.
BAV: Was hat es Ihnen persönlich gebracht so lange beruflich tätig zu sein? Wollten Sie das immer zu hundert Prozent oder gibt es einfach irgendwann einen Punkt, an dem man nicht mehr aufhören kann?
WH: In erster Linie aus Freude an der Arbeit und dann ist da die Anerkennung, also die Tatsache, dass meine Leistung Erfolg bringt. Ich meine damit den Erfolg meiner Kunden, der letztlich auch mein Erfolg ist.
BAV: Bewusst provokant gefragt: Vielleicht auch, weil man glaubt, man sei der Einzige, der das alles so gut kann?
WH: Bewusst provokant geantwortet: Man steht sein ganzes Leben- auch im Beruf- in einem Konkurrenzkampf. Das habe ich selbst ständig erlebt. Dem muss man sich dauernd stellen und sich dessen auch bewusst sein. Man darf sich nie nur als der Einzige sehen. Aber man muss immer das Ziel haben, den Mitbewerbern im entscheidenden Zeitpunkt einen Schritt voraus zu sein. Dabei hat mir meine Einstellung zur Arbeit und speziell mein Kommunikationsverhalten sicher sehr geholfen.
BAV: Gibt es etwas in Ihrem Leben, das Sie durch Ihre lange berufliche Tätigkeit nicht machen, nicht genießen konnten, auf das Sie bewusst verzichtet haben?
WH: Wenn man seine Arbeit als Lebensmittelpunkt betrachtet, dann kommt doch immer einiges andere zu kurz, zum Beispiel die Familie. Dass wir es als Familie trotzdem geschafft haben, alles erfolgreich unter einen Hut zu bringen, verdanke ich meiner Frau, die den weit größeren Teil der Erziehung unserer beiden Kinder und den Haushalt neben ihrem eigenen Beruf als Grafikerin übernommen hat.
Bewusst verzichten mussten wir in den letzten 25 Jahren, bedingt durch meine Verantwortung für die zweimonatlich erscheinende Fachzeitschrift, auf längere Reisen. Das wird sich aber nun bald ändern.
Dazu ein Wort noch zum derzeit weit verbreiteten Anspruch auf work-life balance. Ich halte das prinzipiell für ok, es sollte aber nicht dazu führen, dass daraus immer mehr ein Überwiegen der Freizeit abgeleitet und gefordert wird. Mit dieser Einstellung – weniger arbeiten und mehr Freizeitspaß – wird unsere Gesellschaft nicht sehr viel weiterkommen!
BAV: Würden Sie alles wieder so machen, könnten Sie noch einmal von vorne anfangen?
WH: Wenn Sie mich so fragen: nein, im Grunde genommen; ich bin ganz zufrieden, wie es so gelaufen ist
Auch wenn sich die Arbeitsbedingungen und Anforderungen in den letzten 50 Jahren drastisch verändert haben- meine Branche ist in dieser Zeit sehr viel schnelllebiger geworden – würde es mich aber auch heute wieder in den Bereich Kommunikation ziehen, vermutlich würde ich mich noch früher selbstständig machen!
Wir danken für das Gespräch.