Arbeiten in der Pension

Im Gespräch mit Personalexperten Manfred Monsberger

Der Dauerbrenner „Personalmangel“ treibt nach wie vor alle Branchen um. Wir haben seine zahlreichen Facetten aus Sicht eines Experten mit über  dreißigjähriger Erfahrung in führenden Positionen in diesem Bereich beleuchtet:

DI Manfred Monsberger

war von 2014 bis Oktober des Jahres 2023 als Mitglied der Führungsetage Personalchef bei C&A und so zuständig für das für das Wohl von 6.000 Mitarbeitern in Österreich, der Schweiz und neun osteuropäischen Ländern.
Ebendiese Position hatte er zuvor erfolgreich bei Leiner/Kika ausgefüllt. Sein Berufsweg verlief jedoch bei weitem nicht linear.

Als Absolvent der Universität für Bodenkultur Wien im Bereich Landschaftsplanung zufällig im Rahmen eines Studentenjobs in einer Personalberatungsfirma gelandet, lernte er dort das Handwerk von der Pike auf, organisierte für die Bank Austria Studentenseminare, absolvierte zahlreiche Ausbildungen im Bereich Training und Personalentwicklung und merkte sehr bald, wofür sein Herz schlägt.

Verfolgt man Manfred Monsbergers Karriere, die er jetzt auf selbständiger Basis mit dem Fokus Führungskräfteentwicklung fortsetzt, untermauert das die Tatsache, dass man auch als „Quereinsteiger“ mit entsprechender Motivation und klarer Ausrichtung in einem Unternehmen sehr erfolgreich sein kann. Vorausgesetzt man erhält die entsprechende Unterstützung seitens seiner Führungskraft.
Davon soll später noch die Rede sein und wir befinden uns schon mitten im Thema und den damit verbundenen Fragen, die wir mit Manfred Monsberger behandeln konnten:

BAV: Da ist zunächst das Problem Personalmangel, verursacht durch den demografischen Wandel, die Corona-Krise und die damit verbundene Abwanderung von Fachkräften, den Teilzeit Boom, sowie dem Wunsch nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Laut einer aktuellen Eurostat Studie liegt Österreich an der Spitze der EU-Länder, was die Knappheit an Arbeitskräften betrifft. Die Quote der unbesetzten Stellen lag hierzulande im 3. Quartal 2023 bei gut 4,6 Prozent.

Und so äußert sich der Experte:

MM: Es gibt kein europäisches Land, in dem es nicht massive Probleme, verursacht durch Arbeitskräftemangel gibt, dies betrifft auch die USA. Die Überalterung der Gesellschaft war vorhersehbar, das hätte man vor zwanzig oder dreißig Jahren schon wissen können und entsprechend vorbauen. Wir hatten zum Beispiel während meiner Zeit bei Leiner/Kika schon viele ältere Mitarbeiter und haben versucht, mit dieser Situation professionell umzugehen und die vorhandenen Personalressourcen bestmöglich einzusetzen. Zu diesem Zweck haben wir auch damals in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Soziologie an der Universität Wien, unter der Ägide von Professor Kolland, entsprechende Studien durchgeführt.

Im Jahr 2010 bekamen wir für unsere Arbeit in diesem Bereich das vom Sozialministerium verliehene NESTORGOLDGÜTESIEGEL, eine Auszeichnung, die an österreichische Unternehmen und Organisationen geht, deren gesamte Organisationsstruktur die Bedürfnisse von Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen in ihrer Vielfalt berücksichtigt und Potenziale entsprechend fördert.
Was den Personalengpass betrifft ist klar, dass die in den Arbeitsmarkt zu integrierenden Personen nur von außen, nämlich aus geburtenstarken Ländern, wie z.B. Afrika oder dem Mittleren Osten kommen können. Das bringt auch soziale Probleme mit sich, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. All das wird sich in nächster Zeit auch nicht entspannen. Aus beruflicher Erfahrung habe ich den Eindruck gewonnen, dass viele Firmen zwar erkannt haben, dass Mitarbeiter und deren Wohlbefinden zunehmend wichtig sind, außerdem wurde es zunehmend schwieriger, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Aber dann kam wieder irgendeine Krise und Mitarbeiter waren wieder leichter zu finden, sodass man sich strategisch sehr schnell wieder zurückgelehnt und auf andere Themen im Unternehmen fokussiert hat. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Wir sind an einem Wendepunkt, an dem sich Unternehmen wirklich überlegen müssen, mit welchen Mitteln sie am Arbeitsmarkt attraktiv werden können. Denn es gibt Mitarbeiter da draußen, die sind ja da! Als Unternehmen muss ich nur so attraktiv werden, dass sie auch bei mir arbeiten wollen. Die Unternehmen, die das nicht schaffen, werden allerdings noch massivere Probleme im Mitarbeiterbereich bekommen.

BAV: Wie also lautet das Gebot der Stunde für Unternehmen jetzt?

MM: Ich muss mir wirklich überlegen, was mache ich mit den Mitarbeitern, was biete ich ihnen, warum bin ich ein attraktiver Arbeitgeber. Davon wird abhängen, ob du die Arbeitskräfte kriegst oder nicht. Und das wird in Hinkunft wichtiger werden, als es je war. Jene Firmen, die es geschafft haben, Mitarbeiter auch in der Corona-Krise zu halten, die ihnen das volle Gehalt gezahlt haben, obwohl die zuhause waren, sind deutlich besser aus der Krise gekommen. Warum? Weil sie loyal zu ihren Mitarbeitern waren, Stichwort Loyalitätsbindung. Haben Mitarbeiter das Gefühl, sie werden ernst genommen und unterstützt, dürfen sich entwickeln, dann kommen sie und bleiben. Als Unternehmen müssen Sie am Ende des Tages nicht alles richtig machen, sie müssen aber ehrlich und transparent mit Ihren Fehlern umgehen und es ein bisschen besser machen als die Mitbewerber. Leute gehen zu jenen Betrieben, die den besten Ruf haben.

BAV: Ein Unternehmen ist so gut, wie die Leute, die dort arbeiten. Seine Ausrichtung wird von der Führungskraft/den Führungskräften vorgegeben. Was ist deren vordringlichste Aufgabe in der aktuellen Arbeitsmarktsituation?

MM: Als Führungskraft muss ich darauf achten, meine guten Mitarbeiter nicht zu verlieren. Dafür ist gute Führungsarbeit das Um und Auf, sie ist mein Ass im Ärmel, das Beste, was ich habe. Einen Mangel an guter Firmen- bzw. Führungskultur kann man auch mit viel Geld nicht kompensieren. Hat ein Unternehmen keine gute Führungskultur, gehen die Mitarbeiter irgendwann. Natürlich dauert der Aufbau eines vernünftigen Employer Brandings, aber das wirkt dann, so etwas spricht sich herum. Man kann viel Werbung im HR-Bereich machen, den Leuten viel erzählen, aber noch stärker als in der Kundenbeziehung musst du in der Mitarbeiterbeziehung irgendwann den Wahrheitsbeweis antreten, dein Versprechen einlösen. Kannst du nicht halten, was du versprochen hast, ist der Schock noch größer und die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der Mitarbeiter wieder geht. Das heißt Ehrlichkeit ist im Personalbereich immens wichtig, die Mitarbeiter verzeihen dir nicht, wenn du sie im Bewerbungsprozess angeschummelt hast.

BAV: Das heißt, Führung braucht andere Kompetenzen, als jene die in einer Fachfunktion nötig sind. Welche sind das?

MM: Das sind interpersonelle Qualitäten. Wir unterscheiden zwischen Management, also Organisation, fachliche Führung, Budget etc. und Leadership. Management können die meisten gut. Aber Leadership heißt in hohem Maße interpersonelle Arbeit, Arbeit mit Mitarbeitern, das heißt, sich um ihre Themen zu kümmern. Als Führungskraft muss ich danach trachten, ein Umfeld und die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, unter denen meine Mitarbeiter ihr volles Pouvoir abrufen können. Man kann Top-Fachkräfte einstellen, doch passt z.B. das Abteilungsklima nicht, werden sie nie ihre volle Leistung bringen. Das ist so ein bisschen wie im Fußball, es gewinnen nicht immer die Mannschaften mit den Top-Spielern, sondern die besten Teams, die ihre Qualitäten zum richtigen Zeitpunkt optimal einsetzen.

BAV: Nun besteht der Großteil der heimischen Wirtschaft aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Die haben im Personalbereich nicht die Ressourcen und das Know-how der Großen. Wie sehen Sie die Chancen der KMU in der jetzigen Situation?

MM: Die Zeit der KMU ist jetzt gekommen! Weil sie das ausspielen können, was sie ausmacht, nämlich ihre Flexibilität und Überschaubarkeit. Wird in KMU Kultur von ganz oben, von der Geschäftsführung, authentisch und glaubwürdig mit ganz klaren Vorgaben gelebt, so können diese rasch eine Kultur schaffen, wie es in Großunternehmen sehr schwer möglich wäre. Dort gibt es häufige Führungswechsel und die Top-Führungskräfte kriegen selten die Zeit, die Mitarbeiter und das Unternehmen richtig kennen zu lernen, denn wenn sie kommen, gibt es oft schon irgendeine Krisensituation und es sind schnelle Maßnahmen erforderlich. Manche Dinge sind in Großunternehmen auch auf Grund mangelnder Geschlossenheit in der Führungsetage viel schwerer umsetzbar. Wenn jedoch der Eigentümer klare Vorgaben gibt, diese selbst glaubwürdig vorlebt und auch explizit von seinen Mitarbeitern einfordert, dann wird eine authentische Unternehmenskultur entstehen, wie sie bei Großen nicht so leicht möglich wäre. Sie müssen das, was sie einfordern aber auch selbst vorleben, sonst bekommen Sie es auch von den Mitarbeitern nicht. Die haben sehr feine Antennen und merken sofort, ob etwas glaubwürdig ist oder nicht.

Apropos Unternehmenskultur und Employer Branding, viele große Unternehmen haben gute Ideen in diesem Bereich und wie sie sich von den Mitbewerbern differenzieren könnten, scheitern aber oft an der internen Bürokratie und den damit einhergehenden starren Regulativen.
Sind Sie jedoch ein kleines Unternehmen mit nur fünf Mitarbeitern, ein Friseur etwa, und haben für die ausgeschriebene Stelle drei Bewerber, können aber nur einen nehmen, dann können Sie den übrigen Bewerbern vielleicht nebst dem Dankesschreiben für ihr Engagement einen Gutschein für Kaffee und Kuchen in nahegelegenen Kaffee geben. Was glauben Sie, wie das das Image Ihres Betriebes aufwertet. Das ist eine kleine Geste mit wenig Aufwand und großer Wirkung. Wir alle wissen, wieviel über Mundpropaganda funktioniert.

Also kleine und mittlere Betriebe haben durchaus gute Karten, sie müssen aber trotzdem ihre Personalprozesse genauso professionell abarbeiten, wie das die Großen machen. Mit schlechter Personalarbeit, und das gilt für jedes Unternehmen, nehmen Sie sich eine große Chance.

BAV: Lassen Sie uns noch einmal über KMU reden. Da gibt es Betriebe, und gar nicht wenige, wo der Chef alles macht, von der Acquise über Personalrecruiting, bis hin zur Materialbeschaffung, Lagerhaltung, etc.. Dort ist oft keine Zeit für professionelle Personalarbeit.

MM: Das ist schwieriger, das stimmt. Es kann auch nicht jedes Unternehmen seine eigene Personalabteilung haben, das braucht es auch gar nicht. Doch es zahlt sich aus, sich die Prozesse im Personalwesen genau anzusehen, dafür Sorge zu tragen, dass sie gut und professionell gemacht sind. Die Zeit der Implementierung dauert natürlich, aber ich kann mir auch als kleines Unternehmen zu Beginn Dienstleistung zukaufen und meine Prozesse professionell abarbeiten.

Gesamt gesehen geht es doch immer um Aufmerksamkeit, Menschlichkeit. In Prozessen können Fehler passieren, aber dann muss ich darauf auch menschlich und ehrlich reagieren. Sagen wir, Sie antworten einem Bewerber zwei Wochen nicht, schicken aber dann ein ehrlich formuliertes Schreiben, in dem Sie sich für das Versäumnis entschuldigen, dann freut sich der Bewerber. Weil er sich ernst- und wahrgenommen fühlt.
Das sind kleine Dinge, die ich machen kann, wenn ich das will. Gerade als kleines Unternehmen habe ich die Chance dazu und kann damit gegenüber Großen punkten. Die haben oft gar nicht die Zeit, weil sie mit Bürokratie zugedeckt sind und sich um die eigentlichen HR-Dinge nicht optimal kümmern können. Das ist der Vorteil der Kleinen. Und was die Ausbildung einer eigenen Marke anbelangt, so kann das besonders in kleinen Strukturen auch sehr einfach gehen. Bin ich ein kleines Unternehmen in einem kleinen Ort, in dem ich meinen Betrieb habe, kann ich z.B. ein Grillfest machen, zu dem ich alle Mitarbeiter und ihre Familien einlade. Da wird dann darüber geredet, das bleibt, hat mehr Wirkung als zehn Zeitungsinserate. Und wenn dann ein junger Mensch einen Ausbildungsplatz sucht, wird er sich an den guten Ruf der Firma vor Ort erinnern.

BAV: Wir haben schon darüber gesprochen: Um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, gilt es auch, Anreize für Mitarbeiter zu schaffen, die Pension aufzuschieben und länger zu arbeiten. Hier liegt aber die Verantwortung auch auf Seiten der Politik.

MM: Dass der demografische Wandel vorhersehbar war, und man zeitgereicht hätte gegensteuern können, haben wir schon erwähnt. Es ist zugegebenermaßen eine politisch sehr schwierige Materie, doch wo ein Wille, da auch ein Weg. Politik reagiert halt oft erst dann, wenn es gar nicht mehr anders geht. Man weiß das, kann das ausgiebig beammern, aber das bringt ein Unternehmen keinen Zentimeter weiter.
Firmen haben auch hier Verantwortung. Wollen sie wirklich, dass ältere Mitarbeiter länger bleiben, müssen sie sich überlegen, Arbeitsplätze zu schaffen, die für diese Leute attraktiv und im Ablauf bewältigbar sind. Dabei müsste man auch die Leistungskurve der Menschen einrechnen und das hat man in Österreich bis dato kaum getan. Man hat noch oft nach dem alten Pensionssystem gedacht und hier galt, überspitzt formuliert, die Maxime, einen Tag vor der Pensionierung am Höhepunkt seiner Karriere zu sein. Das funktioniert aber so nicht, das sollte ganz anders sein. Man möchte vielleicht auch nicht bis 65 im Fahrtwind ganz vorne stehen. Der Höhepunkt einer Karriere ist irgendwo zwischen 35 und 55 Jahren und dann sollte man wieder zurück in die zweite Reihe und dort vielleicht eine Position im Bereich Consulting oder Mentoring einnehmen, jüngere Kollegen begleiten. Ob das so möglich ist, hängt natürlich auch wieder von der Unternehmensgröße ab, aber ältere Mitarbeiter wollen ihre jahrzehntelange Erfahrung einbringen. Davon würden beide Seiten profitieren, viel Reibungsverlust bliebe erspart.

Für KMU ist das schwieriger, aber möglich! Ein Beispiel: Eine Tischlerei hat eine Fachkraft, die sie keinesfalls verlieren und auch nach Erreichen des Pensionsalters weiterbeschäftigen will. Der Markt ist nämlich leergefegt. Also wird man sehr viel unternehmen, um den Mitarbeiter zu halten, selbst wenn er auf Grund der körperlichen Voraussetzungen vielleicht nur mehr 20 Stunden statt 40 im Betrieb ist. Er kann trotzdem die jungen Kollegen unterstützen und anleiten. Natürlich ist das mit Aufwand verbunden. Man muss sich Arbeitsprofile ansehen, die Arbeit entsprechend den Fähigkeiten des Personals neu verteilen. Es gibt immer wieder Vorzeigeunternehmen, die das höchst professionell betreiben und so die besseren Karten haben. Natürlich ist das in großen Strukturen leichter, was aber nicht heißt, dass dies dort auch im nötigen Umfang passiert. Auch hier punkten wieder kleine und mittlere Unternehmen mit ihrer Flexibilität und Überschaubarkeit.

Das mag anfangs schwierig sein, aber denken wir an das Schlimmste, was einem Betrieb passieren kann, das Szenario A: Das Unternehmen kann Aufträge nicht mehr annehmen, weil es dafür nicht das nötige Personal hat. Es gibt aber auch noch das Szenario B: So wie man sich selbstverständlich einen Steuerberater holt, engagiert man einen Personalberater, der für das bestehende Problem adäquate Lösungen anbietet und hilft, ein professionelles Konzept aufzustellen, auf Basis dessen der Betrieb weiterarbeiten kann.

Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Es muss alles nicht perfekt sein, aber das, was ich mache, muss ehrlich, glaubwürdig, von zwischenmenschlichem Respekt und Wertschätzung geprägt sein. Dann dürfen auch mal Fehler passieren, wenn ich diese menschliche Qualität biete. Und das kostet gar nichts. Mitarbeiter sind gar nicht so schnell beleidigt, wie man glaubt, die tolerieren auch Fehler, wenn sie das Gefühl haben, sie werden wertgeschätzt. Ich habe das in der eigenen Praxis oft erlebt.
Als Unternehmer sollte mir auch bewusst sein, dass der Mitarbeiter nicht irgendeine Art Erfüllungsgehilfe ist, gleich einer Maschine, die ich austausche, wenn sie nicht mehr funktioniert, sondern ein wertvoller Beteiligter an meinem Wertschöpfungsprozess!

BAV: Was macht denn Ihrer Meinung nach eine gute Führungskraft aus?

MM: Es hilft natürlich, wenn du als Führungskraft über eine gewisse Lebenserfahrung verfügst, da wird der Bauchladen größter. Aber ich hatte auch Mitarbeiter, die trotz ihrer jungen Jahre hervorragende Arbeit in dieser Position geleistet haben, weil ihre Haltung gegenüber anderen von Respekt und Wertschätzung geprägt war, weil sie diesen Grundwert vielleicht schon vom Elternhaus mitbekommen haben.

BAV: Und all jene, die das nicht von daheim mitbekommen haben? Die kann ich ja nicht auch noch erziehen.

MM: Im Recruiting, speziell im Führungsbereich, gilt es zu überlegen: Was will ich leben, was ist mir wichtig? Am Ende kann ich tatsächlich nur diejenigen engagieren, die meine gesetzten Ansprüche erfüllen. Die Devise lautet, klar zu kommunizieren. Lieber Mitarbeiter, das ist mein Führungsleitbild, das lebe ich auch selbst und das erwarte ich auch von dir. Gebe ich ihm dann auch die entsprechenden Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, darf er sich entfalten, wird er sich möglicherweise in Richtung einer guten Führungskraft, im Sinne von Leadership entwickeln.
Ich habe in der Praxis aber auch oft erlebt, dass der beste Techniker, der beste Verkäufer auch Führungskraft wird, weil er sich durch seine Leistung empfohlen hat. Das kann gut gehen, aber auch richtig schief. Im schlechtesten Fall verliere ich einen guten Verkäufer/Techniker und gewinne eine schlechte Führungskraft. Das muss mir klar sein, ich muss auch wissen, wo der Fokus der Mitarbeiter liegt.

Und weil wir vorhin über Erziehung im Unternehmen gesprochen haben. Das klingt ein bisschen nach Heim, ein schöneres Wort ist wohl Heranbildung. Es ist tatsächlich so, dass Mitarbeiter oft im Unternehmen ein wenig angeleitet und unterstützt werden (müssen). Denn es gibt heute zwei Möglichkeiten, entweder ich bekomme niemanden, oder aber ich biete meinem Personal die Chance, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten zu entwickeln und sein Bestes abzurufen. Ich muss es nur wollen.

Ein eindrucksvolles Beispiel für diese Art zu denken, ist die von Julius Meinl 1906 gegründete „Private kaufmännische Fortbildungsschule“ für firmeneigene Lehrlinge und Praktikanten. (Anm. d. Red.). Die Beweggründe: Die vorhandenen Berufsschulen konnten die Ausbildung, die Meinl für seine Lehrlinge vorschwebte, nicht bieten, also gründete er seine eigene. Die Schule wird heute, nach der Übernahme durch Spar, als Akademie der Supermarktkette geführt. Neben Allgemein- und berufsspezifischer Bildung wird auch auf die Stärkung des Charakters gebaut, so werden dort Fächer wie Ethik, Moral und Kulturpflege unterrichtet. (Anm. d. Red.).

Wir müssen uns in Zukunft noch mehr auf die Mitarbeitenden einstellen. Es muss uns klar sein, dass wir nicht genug haben, aber die die vorhanden sind, müssen ein Umfeld vorfinden, dass sie ihren Job gut machen können.

BAV: Das heißt, man wird sich in Hinkunft noch viel spezieller und individueller mit den Mitarbeitern und ihren Fähigkeiten beschäftigen müssen.

MM: Genau, denn das gibt auch dem Mitarbeiter die Möglichkeit, sich auf seine Stärken zu fokussieren. Was kann ich gut, was will ich? Und hier kommen wieder die Kleineren in Spiel. Als Chef von 10 Mitarbeitern kenne ich deren Fähigkeiten genauer, als dies in einem großen Unternehmen möglich ist. Aber, ich wiederhole mich, ich muss meine Prozesse professionell abhandeln, nicht nebenbei und irgendwie. Das ist aufwändig, aber habe ich erst einmal eine gute Struktur, ermöglicht mir das effizientes und ressourcenorientiertes Arbeiten. Ich kann meine eigene Unternehmens-DNA prägen, bewusste Entscheidungen dahingehend treffen. Die Frage lautet immer, wie begegne ich meinen Mitarbeitern, wie behandle ich sie, dass sie gerne für mich arbeiten? Es gibt Chefs, die machen das vielleicht schon, ohne groß darüber nachzudenken, die haben auch weniger Probleme. All jene, die das noch nicht realisiert haben, sind aufgefordert umzudenken, streng hierarchische patriarchalische Strukturen hinter sich zu lassen und sich den neuen Anforderungen zu öffnen.

BAV: Die Ansprüche der Mitarbeiter haben sich aber auch geändert, Stichwort Generation Z. Da gibt es einen Paradigmenwechsel.

MM: Ja, das erlebe ich auch so. Ich habe eine Tochter, sie ist 18 Jahre, die sagt mir klipp und klar, „So wie du arbeitest, möchte ich nicht arbeiten. „Wenn ich manchmal um fünf Uhr früh aufstehe, arbeitest du schon, wenn ich um zehn Uhr abends schlafen gehe, arbeitest du noch immer“. Diese Erfahrung teile ich übrigens mit Vielen. Und das heißt nicht, dass diese Generation faul wäre, im Gegenteil, die sind unheimlich fleißig. Die jungen Leute haben aber andere Bedürfnisse, das Gefühl nach Selbstverwirklichung und Entwicklung ist stärker, sie wollen wahr- und ernstgenommen werden. Diversity spielt eine wichtige Rolle, Geld ist oft zweitrangig. Da gehen viele in Start-Ups, wo sie das Gefühl haben, das ist lustig, das ist cool und dort arbeiten sie auch entsprechend viel. Aber sie sind nicht mehr bereit alles zu opfern für ein bisschen mehr Geld. Die sind auch in gewissem Grad desillusioniert, weil sie wissen, dass sie sich mit dem, was sie verdienen, keine Wohnung, kein Haus kaufen werden können, außer, sie haben geerbt. So entscheiden sie sich eben für ein bisschen weniger Geld, haben dafür aber mehr Freizeit und Lebensqualität. Sie richten sich anders aus, konsumieren weniger, das ist auch gut für den Planeten, da spielt auch der Umweltgedanke eine Rolle.

BAV: Wagen wir einen kurzen Ausblick in die Zukunft oder die jüngste Gegenwart. Da gibt es gewaltige gesellschaftliche Veränderungen, die auch das Arbeitsleben nachhaltig prägen werden.

MM: KI wird kommen als disruptive Energie. Ihre Entwicklung ist atemberaubend. Sie ist ja bei Recruitingprozessen schon im Anrollen. Es geht lediglich darum, unter welchen ethischen Komponenten ich sie in die Personalarbeit einbaue, so dass sie mir Arbeit abnimmt, die ohnehin keiner machen will. KI braucht Autorität. All jene Tätigkeiten, die standardisiert und repetitiv sind, werden wegfallen. Pessimisten sagen, sie wird viele Arbeitsplätze vernichten, aber das hat man beim World Wide Web, bei der Entwicklung der Eisenbahn, des Verbrennungsmotors und anderen Prozessen auch schon gemenetekelt. Ich habe auf einem Fachkongress die Aussage gehört, dass HR nur die Jobs jener Leute vernichten wird, die sich nicht mit KI auseinandersetzen wollen. Nehmen Sie das Beispiel Kino. Wenn Sie mich fragen, ob es das in Hinkunft angesichts der streaming-Dienste noch geben wird, dann kann ich nur sagen: Natürlich wird es Kino geben, aber in einer anderen Form.
Die Frage lautet wohl, welches Erlebnis will ich anbieten, das der Konsument zuhause nicht hat. Umgelegt auf den Bereich Personal heißt das, ich muss mir überlegen, welche Qualität mein Unternehmen vor anderen auszeichnet.

Wenn diese Überlegungen in ein stimmiges, kongruentes Gesamtkonzept, geprägt von Ehrlichkeit und Respekt, eingebettet sind, hat man die Chance am Markt ein Image aufzubauen, das viele Dinge fast von selbst passieren lässt. Die Personalprozesse müssen allerdings professionalisiert werden, denn nur mit einem auf die speziellen unternehmerischen Bedürfnisse abgestimmten Konzept werde ich reussieren. Dabei müssen Sie nicht perfekt sein, das ist niemand. Um beim Skifahren zu bleiben: Sie müssen keinen perfekten Lauf haben, sie müssen nur eine Hundertstelsekunde schneller sein als Ihre Mitbewerber, dann haben Sie gewonnen.

BAV: Danke für das Gespräch

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